Song: Die Entstehung von HipHop 5/5
Viewed: 30 - Published at: 6 years ago
Artist: Markus Heide
Year: 2013Viewed: 30 - Published at: 6 years ago
3.5. MCing
DJ Kool Herc gilt als Erster, der während des Plattenauflegens die Breakbeats mit rhythmisiert gesprochenen Worten durch ein elektrisch verstärktes Mikrofon begleitete im Stil jamaikanischer DJs: Diese hatten sich wiederum vom sogenannten Toasting schwarzer amerikanischer Radio-DJs inspirieren lassen: Ankündigungen der nächsten Lieder und kleine Anekdoten, während die Lieder bereits erklangen. DJ Kool Herc benutzte das Toasting in erster Linie, um mit kurzen und einfachen Sprüchen lautstark das Publikum anzufeuern sowie seine Künste und seine mächtige Boxenanlage anzupreisen, meist in gereimter Form.90
Später holte er seinen Freund Coke La Rock zur Unterstützung auf die Bühne: Der MC war geboren und Rap wurde allmählich zu einer eigenständigen Ausdrucksform, die sich von nun an weiterentwickelte: „The raps became increasingly complex as these artists worked at and developed their craft. What began as simply an extra device to add excitement to the show, eventually became the essence of the form.“91
Grandmaster Flash sah zuerst die MCs nur als Möglichkeit, das Publikum von seinen DJ- Techniken abzulenken und wieder zum Tanzen zu animieren.92
Viele der ersten Raps waren frei improvisiert bzw. aus kleinen vorgefertigten syntaktischen Einheiten spontan zusammengesetzt: eine Form des Raps, die später unter dem Begriff Freestyle bekannt wurde. Die Texte dienten in erster Linie der Unterhaltung, eigenen Lobpreisung und Kommentierung der DJ-Techniken; der Soundcharakter stand im Vordergrund: „Für den Augenblick zusammengeschmiedet und wesentlich mehr mit Rhythmus und Stimmklang beschäftigt als mit Botschaften, bestand der Rap im Wesentlichen aus soundorientierter Spontanlyrik.“93 Neben kleinen Geschichten aus der Nachbarschaft wurde vorwiegend das aktuelle Bühnengeschehen in den Raps verpackt, doch auch politische, sexistische sowie aggressive Aussagen voller Gewalt waren Bestandteile der Texte.94 DJ Kool Herc beschreibt den Vortrag folgendermaßen: „Little phrases and words from the neighborhood that we used on the corner, is what we would use on the mic. Like we talking to a friend of ours there in the crowd.“95
Die ersten Raps sind kaum schriftlich oder auf Tonträgern dokumentiert,96 jedoch zeugen die ersten auf Schallplatte aufgezeichneten Lieder noch von der anfänglichen Atmosphäre des Rap,97 wie beispielsweise The Breaks von Kurtis Blow aus dem Jahre 1980:
Throw your hands up in the sky
And wave 'em 'round from side to side
And if you deserve a break tonight
Somebody say alright!
All right! Say ho-oo!
Ho-oo! And you don't stop
Keep on, somebody scream!
Owwwww! Break down!
Deutlich herauszulesen – und in der Audioversion deutlich herauszuhören – ist der Live- Charakter und Mitmachgedanke des Rap: Der Rapper tritt aktiv in einen Dialog mit dem Publikum, fordert es zum Mitmachen auf („Throw your hands up in the sky“) oder vergewissert sich seines Tuns („And if you deserve a break tonight, somebody say alright“). Die Zuhörer wiederum bestätigen die Performance durch Zuruf von beispielsweise „All Right“ oder „Ho-oo!“. Dieses dialogische und interaktive Prinzip ist als Call and Response bekannt; schon intensiv von schwarzen Funkmusikern wie James Brown in den 70er Jahren gebraucht,98 lassen sich seine Spuren auf noch frühere afro-amerikanische Kulturtechniken zurückverfolgen, wie in einem späteren Kapitel erläutert werden wird.
Die oben gezeigten Aussprüche und Interjektionen waren im Anfangsstadium des Rap in der Bronx allgegenwärtig und wurden in verschiedenen Variationen und Anreihungen verwendet, immer zielgerichtet auf die Aktivierung des Publikums, ähnlich wie bei oben genannten Merkmalen zur Oralität; ausgefallene Eigenkreationen mit thematischem Bezug wurden schlichtweg nicht verlangt:
"Such phrases were public domain at this time, called upon and used by numerous artists in varied contexts. Producing an original text was less important than the rapper ́s of DJ ́s ability to ,move a crowd‘. Producing coherent and autonomous texts was simply not valued."99
Dabei hat man sich die Praxis des Rapping nicht nur in einer klassischen Bühnen- Publikum-Anordnung vorzustellen: Gerappt wird häufig auch in einer Kreisformation von Wettbewerbern, der sogenannten cypher bzw. cypha: „They [Plural von cypher, d.V.] are marvelous speech events. They are iniviting and also very challenging. [...] Ciphas are innovative formats for battles“100
In diesen wortreichen, aber gewaltlosen Battles messen sich die MCs und buhlen um die Gunst des Publikums; Demonstration der eigenen Fähigkeiten und Herabsetzung des Gegners stehen im Mittelpunkt:
"In einem solchen Battle konnte man mit vorgefertigten Phrasen nicht bestehen. Hier sind Spontaneität und Improvisation gefragt, nur wer auf andere eingehen kann, hat eine Chance. Natürlich geht es darum, den Gegner zu übertrumpfen, ihn in Grund und Boden zu rappen, mehr Reime, kompliziertere Reime, mehr Metaphern, ausgefallenere Metaphern, verrücktere Styles, lustigere Geschichten. Am besten bringt man den Gegner gleich ganz zum Schweigen, dann gibt es keine Zweifel mehr, wer der Bessere ist. Außerdem sprechen die MCs ihr Publikum an, das letztlich darüber zu entscheiden hat, wer den Kreis als Sieger verlassen wird."101
Diese Battles trugen entschieden zur stilistischen Vielfalt und Qualitätssteigerung von Rap und den weiteren Disziplinen von HipHop bei; durch sie wurde der Gedanke von HipHop in der Gemeinde immer wieder bewusst gemacht und aufs Neueste ausgehandelt. Teilnehmen in einem solchen Wettstreit, durfte jeder – und sich der Herausforderung stellen, musste jeder.102 Hier kommt wieder Ong und die Oralität ins Spiel: „Lebende Zeugen waren prima facie glaubhafter als Texte, weil sie angegriffen werden konnten, weil sie veranlasst werden konnten, ihren Standpunkt zu verteidigen, wohingegen [...] dies bei Texten nicht möglich war.“103
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass HipHop und Rap als eine Event- und Party- Kultur begann, in der Performation, aktive Partizipation und der Wettstreit im Vordergrund stand.104 Diese „Kultur des Machens und Produzierens“105 funktionierte nur durch die ständige Ausführung und somit Aktualisierung der verschiedenen HipHop-Elemente; Konsumenten dieser Subkultur waren gleichzeitig auch fast immer Produzenten.106 Räumlich konzentrierte sich HipHop vorerst auf die Bronx, lediglich Graffiti war auch in fremden Stadtteilen oder an der New Yorker Metro sichtbar, „der Rest dieser Kultur war eine Privatangelegenheit, absolut underground.“107 David Toop sieht in dieser lokalen und medialen Begrenzung mehrere Ursachen, die sich auch vorteilhaft für die Entfaltung des HipHop gezeigt haben:
"Der Mangel an Kontakten zur Plattenindustrie in der Bronx, das jugendliche Alter der Beteiligten und schließlich der radikale Primitivismus der Musik gestatteten eine relativ ungestörte Entwicklung, ja eine Insel der Entwicklung und des Erfindungsreichtums, umgeben von einem Meer des Kommerz. Obwohl HipHop eine idealistische Bewegung war, ging es ihr hauptsächlich um Selbstbestimmung, was eine realistische und positive Haltung war, im Vergleich zu den Versprechungen eines besseren Lebens, eines Nachobenkommens, die Disco aussprach."108
DJ Kool Herc gilt als Erster, der während des Plattenauflegens die Breakbeats mit rhythmisiert gesprochenen Worten durch ein elektrisch verstärktes Mikrofon begleitete im Stil jamaikanischer DJs: Diese hatten sich wiederum vom sogenannten Toasting schwarzer amerikanischer Radio-DJs inspirieren lassen: Ankündigungen der nächsten Lieder und kleine Anekdoten, während die Lieder bereits erklangen. DJ Kool Herc benutzte das Toasting in erster Linie, um mit kurzen und einfachen Sprüchen lautstark das Publikum anzufeuern sowie seine Künste und seine mächtige Boxenanlage anzupreisen, meist in gereimter Form.90
Später holte er seinen Freund Coke La Rock zur Unterstützung auf die Bühne: Der MC war geboren und Rap wurde allmählich zu einer eigenständigen Ausdrucksform, die sich von nun an weiterentwickelte: „The raps became increasingly complex as these artists worked at and developed their craft. What began as simply an extra device to add excitement to the show, eventually became the essence of the form.“91
Grandmaster Flash sah zuerst die MCs nur als Möglichkeit, das Publikum von seinen DJ- Techniken abzulenken und wieder zum Tanzen zu animieren.92
Viele der ersten Raps waren frei improvisiert bzw. aus kleinen vorgefertigten syntaktischen Einheiten spontan zusammengesetzt: eine Form des Raps, die später unter dem Begriff Freestyle bekannt wurde. Die Texte dienten in erster Linie der Unterhaltung, eigenen Lobpreisung und Kommentierung der DJ-Techniken; der Soundcharakter stand im Vordergrund: „Für den Augenblick zusammengeschmiedet und wesentlich mehr mit Rhythmus und Stimmklang beschäftigt als mit Botschaften, bestand der Rap im Wesentlichen aus soundorientierter Spontanlyrik.“93 Neben kleinen Geschichten aus der Nachbarschaft wurde vorwiegend das aktuelle Bühnengeschehen in den Raps verpackt, doch auch politische, sexistische sowie aggressive Aussagen voller Gewalt waren Bestandteile der Texte.94 DJ Kool Herc beschreibt den Vortrag folgendermaßen: „Little phrases and words from the neighborhood that we used on the corner, is what we would use on the mic. Like we talking to a friend of ours there in the crowd.“95
Die ersten Raps sind kaum schriftlich oder auf Tonträgern dokumentiert,96 jedoch zeugen die ersten auf Schallplatte aufgezeichneten Lieder noch von der anfänglichen Atmosphäre des Rap,97 wie beispielsweise The Breaks von Kurtis Blow aus dem Jahre 1980:
Throw your hands up in the sky
And wave 'em 'round from side to side
And if you deserve a break tonight
Somebody say alright!
All right! Say ho-oo!
Ho-oo! And you don't stop
Keep on, somebody scream!
Owwwww! Break down!
Deutlich herauszulesen – und in der Audioversion deutlich herauszuhören – ist der Live- Charakter und Mitmachgedanke des Rap: Der Rapper tritt aktiv in einen Dialog mit dem Publikum, fordert es zum Mitmachen auf („Throw your hands up in the sky“) oder vergewissert sich seines Tuns („And if you deserve a break tonight, somebody say alright“). Die Zuhörer wiederum bestätigen die Performance durch Zuruf von beispielsweise „All Right“ oder „Ho-oo!“. Dieses dialogische und interaktive Prinzip ist als Call and Response bekannt; schon intensiv von schwarzen Funkmusikern wie James Brown in den 70er Jahren gebraucht,98 lassen sich seine Spuren auf noch frühere afro-amerikanische Kulturtechniken zurückverfolgen, wie in einem späteren Kapitel erläutert werden wird.
Die oben gezeigten Aussprüche und Interjektionen waren im Anfangsstadium des Rap in der Bronx allgegenwärtig und wurden in verschiedenen Variationen und Anreihungen verwendet, immer zielgerichtet auf die Aktivierung des Publikums, ähnlich wie bei oben genannten Merkmalen zur Oralität; ausgefallene Eigenkreationen mit thematischem Bezug wurden schlichtweg nicht verlangt:
"Such phrases were public domain at this time, called upon and used by numerous artists in varied contexts. Producing an original text was less important than the rapper ́s of DJ ́s ability to ,move a crowd‘. Producing coherent and autonomous texts was simply not valued."99
Dabei hat man sich die Praxis des Rapping nicht nur in einer klassischen Bühnen- Publikum-Anordnung vorzustellen: Gerappt wird häufig auch in einer Kreisformation von Wettbewerbern, der sogenannten cypher bzw. cypha: „They [Plural von cypher, d.V.] are marvelous speech events. They are iniviting and also very challenging. [...] Ciphas are innovative formats for battles“100
In diesen wortreichen, aber gewaltlosen Battles messen sich die MCs und buhlen um die Gunst des Publikums; Demonstration der eigenen Fähigkeiten und Herabsetzung des Gegners stehen im Mittelpunkt:
"In einem solchen Battle konnte man mit vorgefertigten Phrasen nicht bestehen. Hier sind Spontaneität und Improvisation gefragt, nur wer auf andere eingehen kann, hat eine Chance. Natürlich geht es darum, den Gegner zu übertrumpfen, ihn in Grund und Boden zu rappen, mehr Reime, kompliziertere Reime, mehr Metaphern, ausgefallenere Metaphern, verrücktere Styles, lustigere Geschichten. Am besten bringt man den Gegner gleich ganz zum Schweigen, dann gibt es keine Zweifel mehr, wer der Bessere ist. Außerdem sprechen die MCs ihr Publikum an, das letztlich darüber zu entscheiden hat, wer den Kreis als Sieger verlassen wird."101
Diese Battles trugen entschieden zur stilistischen Vielfalt und Qualitätssteigerung von Rap und den weiteren Disziplinen von HipHop bei; durch sie wurde der Gedanke von HipHop in der Gemeinde immer wieder bewusst gemacht und aufs Neueste ausgehandelt. Teilnehmen in einem solchen Wettstreit, durfte jeder – und sich der Herausforderung stellen, musste jeder.102 Hier kommt wieder Ong und die Oralität ins Spiel: „Lebende Zeugen waren prima facie glaubhafter als Texte, weil sie angegriffen werden konnten, weil sie veranlasst werden konnten, ihren Standpunkt zu verteidigen, wohingegen [...] dies bei Texten nicht möglich war.“103
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass HipHop und Rap als eine Event- und Party- Kultur begann, in der Performation, aktive Partizipation und der Wettstreit im Vordergrund stand.104 Diese „Kultur des Machens und Produzierens“105 funktionierte nur durch die ständige Ausführung und somit Aktualisierung der verschiedenen HipHop-Elemente; Konsumenten dieser Subkultur waren gleichzeitig auch fast immer Produzenten.106 Räumlich konzentrierte sich HipHop vorerst auf die Bronx, lediglich Graffiti war auch in fremden Stadtteilen oder an der New Yorker Metro sichtbar, „der Rest dieser Kultur war eine Privatangelegenheit, absolut underground.“107 David Toop sieht in dieser lokalen und medialen Begrenzung mehrere Ursachen, die sich auch vorteilhaft für die Entfaltung des HipHop gezeigt haben:
"Der Mangel an Kontakten zur Plattenindustrie in der Bronx, das jugendliche Alter der Beteiligten und schließlich der radikale Primitivismus der Musik gestatteten eine relativ ungestörte Entwicklung, ja eine Insel der Entwicklung und des Erfindungsreichtums, umgeben von einem Meer des Kommerz. Obwohl HipHop eine idealistische Bewegung war, ging es ihr hauptsächlich um Selbstbestimmung, was eine realistische und positive Haltung war, im Vergleich zu den Versprechungen eines besseren Lebens, eines Nachobenkommens, die Disco aussprach."108
( Markus Heide )
www.ChordsAZ.com